Strom im Flug erzeugen
Tschüss Windräder? Ingenieure der Universität Freiburg forschen an Höhenwindkraftwerken
Jeder, der schon einmal einen Drachen bei starkem Wind steigen ließ, weiß, mit was für einer Kraft der Drache an der Schnur zieht. Die Stärke des Höhenwindes, der in 300 bis 500 Meter Höhe kontinuierlich weht, mit Lenkdrachen für die Stromgewinnung nutzen, daran arbeitet Moritz Diehl, Professor für Systemtheorie, Regelungstechnik und Optimierung am Institut für Mikrosystemtechnik der Uni Freiburg.
Ein großer Vorteil gegenüber bestehenden Windkraftanlagen liegt in der Materialeinsparung, denn zur Windenergiegewinnung mit Lenkdrachen braucht es keine riesigen Windräder, sondern filigrane Drachen bzw. Flugzeuge, die an einem Seil hoch oben in der Luft die Windenergie abschöpfen. „Mit unseren Drachen reduzieren wir ein Windrad auf die Flügelspitze“, erklärt Moritz Diehl. Der übliche Betonturm und die gewaltigen Rotorflügel sind überflüssig. Auch wenn am Boden gerade Flaute herrscht und Windräder still stehen, in großen Höhen weht der Wind fast immer. So soll ein Flugdrache in Zukunft doppelt so viel Energie liefern wie ein herkömmliches Windrad.
Die Stromgewinnung funktioniert über das Seil, das am Drachen hängt und am Boden an einer Winde, dem Stromgenerator, befestigt ist. Mithilfe der Windenergie wird das Seil wie bei einem Jo-Jo auf- und abgerollt. Um ein Maximum an Energie zu ernten, müssen sich die Lenkdrachen in bestimmten Flugbahnen – optimal ist eine achtförmige Bahn – bewegen. Hierfür braucht es die Regelungstechnik, an der die Freiburger Forscher arbeiten, denn ohne sie würden die Flugdrachen sofort kollidieren.
„Wir arbeiten daran, Start und Landung zu verbessern, denn diese beiden Abläufe sind besonders kritisch und aufwändig“, so Diehl. Das Flugzeug soll, ähnlich wie bei einem Kettenkarussell, mit einem Rotationsstart in die Luft gebracht werden. Eine Vorrichtung dreht das Flugzeug zunächst im Kreis, dann verlängert sich das Seil und das Flugzeug steigt in eine energiegewinnende Lage auf. Auf dieselbe Weise soll es auch wieder sicher den Boden erreichen. Neben viel Programmierarbeit wird alles gleich an einem Prototyp in einem Hangar auf dem Campus der Technischen Fakultät in Freiburg getestet. Noch steckt die Höhenwindforschung in den Anfängen, aber der Realisierung ist Diehl ein gutes Stück näher gekommen.
Natascha Thoma-Widmann / 2017